Semi­nare sind Pop­corn für die Seele!

Gedan­ken von Robert Stacher

Semi­nare, Work­shops, Super Prac­tice Ses­si­ons – sie sind das Zau­ber­salz in unse­rer Suppe. Wo sonst wür­den wir alte Bekannte und Freunde tref­fen und über unser eige­nes Reper­toire plau­dern kön­nen? Wofür wür­den wir sonst unser Geld aus­ge­ben, wenn nicht für Requi­si­ten und Hilfs­mit­tel, die kurze Zeit spä­ter in der Schub­lade oder auf eBay landen?

Ich liebe Semi­nare! Sie sind mein per­sön­li­cher Tritt in den Hin­tern, sie sind meine Flü­gel, die mich auf mei­ner Reise in den Zau­ber-Olymp vor­wärts tra­gen, der Treib­stoff für mei­nen Moti­va­ti­ons­mo­tor! Das rede ich mir zumin­dest ein. Denn eigent­lich bin ich ein Zau­ber­zwerg, der ein­mal ganz gross wer­den will. Nur muss ich auf­pas­sen, dass ich auf mei­ner Insel der Seli­gen nicht von den vie­len Gulliver’s zer­tram­pelt werde. Eines fer­nen Tages werde ich ganz bestimmt mit den „unver­gleich­li­chen Mys­te­rien des Robert Sta­cher“ die Show­büh­nen die­ser Welt erobern und in jede Fern­seh­ka­mera lachen. Bis es aber soweit ist, setze ich mich gemüt­lich mit Freun­den bei einem gepfleg­ten Bier­chen zusam­men und lau­sche auf­merk­sam den wei­sen und unan­tast­ba­ren Wor­ten des Semi­nar­lei­ters. Der weiss näm­lich, wie es gemacht wird. Er ist mein per­sön­li­cher Gul­li­ver, mein Jamie Oli­ver der Magie. Zumin­dest für die­sen Abend und die nächs­ten Tage.

Ich bin ein Kind des Cyber­space und daher in der glück­li­chen Lage, in einer Infor­ma­ti­ons­flut zu ertrin­ken. Ich bekomme alles unauf­ge­for­dert auf dem Sil­ber­ta­blett ser­viert. Ein Klick, ein Chat, ein Down­load — mehr braucht es nicht, um heut­zu­tage ein Know-how auf­zu­bauen und über­all mit­re­den zu kön­nen. Der erlauchte Kreis der glo­ba­len Insi­der ist ein­deu­tig durch seine IP-Adresse iden­ti­fi­zier­bar. Bücher wer­den nicht mehr gele­sen, son­dern gebrowst. Zu Vernon’s Jugend­zei­ten wur­den Geheim­nisse wie ein Schatz gehan­delt und nur tröpf­chen­weise in mona­te­lan­ger, ver­trau­li­cher Brief­kor­re­spon­denz unter einer Hand­voll Freun­den aus­ge­tauscht. Aber Ver­non hatte halt weder Inter­net noch ein Handy und auch keine Semi­nare zur Ver­fü­gung. Sonst hätte er es sicher zu was gebracht.

Sie sehen, es man­gelt mir also sicher nicht an Geheim­nis­sen, Trick­prin­zi­pien oder sub­ti­len Vor­führ­fi­nes­sen. Der Wert mei­ner Biblio­thek ent­spricht einem Mit­tel­klas­se­wa­gen, meine Zau­ber-DVDs habe ich in unzäh­li­gen Stun­den aus lega­len Quel­len im Inter­net her­un­ter­ge­la­den. Eines kann ich mit Stolz behaup­ten: sollte irgend­wann unsere Zir­kel-Video­thek ver­bren­nen oder das Inter­net kaputt­ge­hen – ich habe von allem ein Backup! Zukünf­tige Zau­ber­ge­ne­ra­tio­nen wer­den es mir danken.

Trotz alle­dem bin ich ein Ruhe­lo­ser auf der Suche nach dem Hei­li­gen Gral der Magie. Irgendwo da draus­sen muss es den eier­le­gen­den Woll­milch­trick geben – ein Kunst­stück, das meine Kol­le­gen und Zuschauer in Ehr­furcht erstar­ren lässt und mei­nen Sta­tus und mein Selbst­wert­ge­fühl mit einem Mal um Poten­zen stei­gert. Wo ist der Trick, der mich von der Per­son zur Per­sön­lich­keit wer­den lässt? Ant­wort: in den Semi­na­ren die­ser Welt!

Nir­gendwo sonst bekomme ich in 2 Stun­den anschau­lich demons­triert, WAS jeman­den erfolg­reich gemacht hat und WARUM. Hier finde ich die Koch­re­zepte zur Kar­riere! Jamie Oli­ver zeigt es mir, redet mir gut zu und macht mir Mut. Ich brau­che nur noch nach­zu­ko­chen und schon bald werde ich von den Mas­sen gefei­ert. Dann brau­che ich meine Stan­ding Ova­tions nicht mehr durch Wort­spie­le­reien erzwin­gen, son­dern die Zuschauer wer­den vor lau­ter Begeis­te­rung auf Ihre Stühle verzichten!

Eigent­lich nehme ich mir jedes­mal vor, die Rezepte auch wirk­lich nach­zu­ko­chen. Ich möchte sehen, wie sie mei­nem Audi­to­rium schme­cken. Aller­dings über­kom­men mich bereits in der Zube­rei­tungs­phase gewisse Zwei­fel: irgend­wie hat bei Jamie Oli­ver alles so mühe­los und per­fekt aus­ge­se­hen… Und obwohl ich die­sel­ben Zuta­ten ver­wende sieht das fer­tige Gericht bei mir irgend­wie gar nicht so toll aus und schmeckt auch lange nicht so gut! Wie macht das der Jamie nur? Er wird doch wohl nicht unsag­bar viel Zeit inves­tiert haben? Aus sei­nen Fehl­ver­su­chen gelernt haben? Oder gar sei­nen Koch­löf­fel in die Hand genom­men haben? Herr­schaf­ten, das wäre doch wirk­lich absurd!! Nein nein, ich bin mir sicher: er war in einem gehei­men Seminar…

Für mich steht fest: Semi­nare sind die Kino­filme des 21. Jahr­hun­derts. Moderne Unter­hal­tung mit Moti­va­ti­ons­fee­ling, inter­ak­ti­ves 3D-Hol­ly­wood mit allen wich­ti­gen Zuta­ten: Span­nung, Spass und Spiel mit einem Happy End. Sie bie­ten 2 Stun­den Abwechs­lung in mei­nem grauen All­tag, ich kann mich zurück­leh­nen und genies­sen. Ich bin bereit, die Semi­nar­lei­ter zu ver­eh­ren und von einer idea­len Vor­führ­welt zu träu­men. Und ich kann vor allem Sou­ve­nirs mit nach Hause neh­men; Magic Mer­chan­di­sing zur Erin­ne­rung an schöne Zei­ten. Viel bes­ser als Fern­se­hen, You­Tube oder Face­book zusam­men! Wenn es auch noch ein Sam­mel­al­bum von Panini gäbe, ich würde es glatt kaufen.

In Semi­na­ren fühle ich mich sicher und gebor­gen, sie kom­men mit Schutz­fak­tor 50 und sind garan­tiert was­ser­fest. Ich kann in Ruhe alles theo­re­ti­sie­ren und dis­ku­tie­ren und brau­che mich nicht um die läs­tige Pra­xis küm­mern. Ich gehe viel lie­ber in mich als in medias res! Semi­nare sind das Pop­corn für meine Seele: ein paar Fun­ken genü­gen, die Hitze wird ent­facht und schon wird aus einem Mais­korn ein herr­li­ches Pop­corn. Es gibt dabei eigent­lich nur einen ein­zi­gen Nach­teil: wis­sen Sie, wie Pop­corn nach weni­gen Tagen schmeckt? Da ist es auf jeden Fall vor­zu­zie­hen, sich fri­sches Pop­corn zu machen. Warum das alte Zeugs von ges­tern essen, wenn ich für Nach­schub sor­gen kann?

Semi­nare wer­den nie­mals aus­ster­ben, solange Semi­nar­lei­ter Geld und/​oder Aner­ken­nung brau­chen und solange die Besu­cher süch­tig nach Unter­hal­tung sind. Nur wer die Block­bus­ter gese­hen hat, ist ganz vorne mit dabei und kann mit­re­den. Jeder pro­fi­tiert und alle sind glücklich!

Je mehr Jahre ver­ge­hen, desto älter werde ich anschei­nend. Viel­leicht werde ich eines Tages begrei­fen, dass Semi­nare keine Abkür­zung auf dem Weg zum Erfolg sind, son­dern eher Umlei­tun­gen und Bau­stel­len. Aber bis es soweit ist, besu­che ich jedes Semi­nar und freue mich über mein kurz­wei­li­ges Leben! Und sollte meine aktive Zau­ber­kar­riere irgend­wann ins Sto­cken gera­ten, dann wechsle ich ganz ein­fach die Sei­ten und gebe Semi­nare zum Thema „Mein Leben als Semi­nar­be­su­cher“. Ich bin mir sicher, es wer­den viele Leute kommen…