Big­ger is better

Es ist eine klas­si­sche Anek­dote. Ricky Jay war zu Gast in Ken Broo­kes Magic Place in Lon­don. Die Dis­kus­sion ging um Becher fürs Becher­spiel. Ricky sagte, dass die Paul Fox Cups die bes­ten sind, weil durch das Design der Becher die Abschluss­la­dun­gen so aus­se­hen, als ob sie zu groß für die Becher sind (das stimmt, es ist eine durch das Design bedingte opti­sche Täuschung).

Ken Brooke wider­sprach und sagte, dass es bei den Abschluss­la­dun­gen nicht auf die Größe ankommt. Was für die Zuschauer zählt, ist die Ver­wand­lung und/​oder das plötz­li­che Erschei­nen. Die Reak­tio­nen sind die glei­chen, ob man nun eine grö­ßere oder eine klei­nere Zitrone verwendet.

Ken wollte seine These natür­lich auch bewei­sen und die bei­den gin­gen in den Pub und Ken führte an einem Tisch das Becher­spiel vor, mit klei­ne­ren Abschluss­la­dun­gen. Die Reak­tio­nen waren umwer­fend und Ricky Jay erstaunt und über­zeugt! Grö­ßer ist nicht besser.

Ich halte mir diese Geschichte immer wie­der vor Augen. Wenn ich mir ansehe, was viele Zau­be­rer so alles erschei­nen las­sen, dann kommt mir nur das Wort Gigan­to­ma­nie in den Sinn. Wenn ich das Bei­spiel „Free­fall“ von Andrew Mayne nehme. Die meis­ten Zau­be­rer benüt­zen die­sen Trick, um eine mög­lichst große Bow­ling­ku­gel erschei­nen zu las­sen. Die ist groß, schwer und fällt mit einem kräf­ti­gen Rumms auf den Büh­nen­bo­den. Man will ja Ein­druck machen! Den gro­ßen Zam­pano spie­len, und des­we­gen muss man auch ein Rie­sen­teil erschei­nen las­sen. Man ist aber als Zau­be­rer nicht bes­ser, weil man etwas Gro­ßes erschei­nen lässt. Man ist als Zau­be­rer gut, wenn man etwas Unmög­li­ches erschei­nen lässt. Darin liegt der Unterschied.

Neh­men wir das Bei­spiel von Mali­nis Eis­block, der unter einem Hut erschien. Da er unter einem nor­ma­len Hut erschien, war die­ser Eis­block also nicht allzu groß. Trotz­dem hat es den Zuschau­ern den Atem ver­schla­gen, weil es die Unmög­lich­keit war, einen Eis­block, der ja schmilzt, irgend­wie zu ver­ber­gen und unter den Hut zu bekom­men, und das alles unter ihren Augen. Ein grö­ße­rer Eis­block hätte kei­nen grö­ße­ren Effekt hin­ter­las­sen. Grö­ßer ist nicht besser.

Die schwe­bende OKITO-Kugel ist ein wei­te­res Bei­spiel. Das Ori­gi­nal hatte einen Druch­mes­ser von etwa acht­zehn Zen­ti­me­tern. Dadurch war es mög­lich, einen recht dün­nen Faden zu ver­wen­den und die Illu­sion war per­fekt. Trotz­dem war die Größe aus­rei­chend, dass auch ein grö­ße­res Publi­kum den Effekt leicht ver­fol­gen konnte. Nimmt man eine rich­tig große Kugel von viel­leicht fünf­unfzwan­zig Zen­ti­me­tern Durch­mes­sern, bekommt man Pro­bleme mit dem Gewicht und damit mit dem Faden. Der Effekt ist aber der glei­che. Finn Jons schwe­bende Kugel hat einen Durch­mes­ser von nur etwa fünf­zehn Zen­ti­me­tern. Grö­ßer ist nicht besser.

Ich pro­du­zierte im Close-up eine Schale mit einem Gold­fisch unter einem klei­nen Fez. Die Schale hat einen Durch­mes­ser von etwa zwölf Zen­ti­me­tern. Das ist eine Größe, die man im Close-up Bereich noch gut hand­ha­ben kann. Die Zuschauer sag­ten immer wie­der, wie es sein kann, dass eine mit Was­ser gefüllte Schale erscheint, sie rede­ten nie­mals über die Größe der Schale. Eine Schale mit einem Durch­mes­ser von zwan­zig Zen­ti­me­tern wäre auch nicht effekt­vol­ler gewe­sen, dafür aber wesent­lich schwie­ri­ger zu hand­ha­ben. Es war das Was­ser, wel­ches den Ein­druck machte. Und natür­lich die Über­ra­schung, dass voll­kom­men uner­war­tet eine Gold­fisch­schale erschien. Grö­ßer ist nicht besser.

Bei mei­ner Rou­tine „Dice Ope­ner“ (BURNERS Vol. 2) erscheint zum Schluss ein gro­ßer Wür­fel. Bei mir hat die­ser Wür­fel eine Kan­ten­länge von etwa sie­ben Zen­ti­me­tern. So kann ich ihn gut in der Hand ver­bor­gen hal­ten und er wirkt trotz­dem groß. Ein Wür­fel mit einer Kan­ten­länge von zehn Zen­ti­me­tern wäre sehr schwer in der Hand zu ver­ste­cken und die Aus­beu­lung in der Jacken­ta­sche unüber­seh­bar. Der Effekt auf die Zuschauer ist aber genau der glei­che (ich habe es pro­biert). Es ist die über­ra­schende Ver­grö­ße­rung, die zählt, nicht die Zen­ti­me­ter. Grö­ßer ist nicht besser.

Ich führe gerne als Ope­ner das Erschei­nen eines gefüll­ten Bier­kru­ges aus einer Papier­tüte vor. Ich ver­wende Andrew May­nes „Free­fall“ Methode dazu, aller­dings mit ein paar bos­haf­ten klei­nen „Ver­bes­se­run­gen“ mei­ner­seits (ihr wer­det es im Semi­nar sehen). Natür­lich könnte ich, wenn ich so den­ken würde wie die meis­ten, jetzt ver­su­chen, den größt­mög­li­chen Bier­krug zu ver­wen­den. Also einen Ein-Liter-Maß­krug, wie man ihn vom Okto­ber­fest her kennt. Wer solch einen Bier­krug gefüllt in der Hand gehabt hat, weiß, wie schwer so etwas ist. Und wer schon ein­mal ver­sucht hat, einen gefüll­ten Krug mit aus­ge­streck­tem Arm zu hal­ten, der weiß auch, wie viel Kraft dazu not­wen­dig ist.

Gerade bei Free­fall ist es aber für die Illu­sion nötig, eine leichte Tüte zu zei­gen, denn eine leere Papier­tüte wiegt fast nichts. Also ver­wende ich einen Halb­li­ter-Bier­krug (der immer noch sehr groß aus­sieht, wenn er gefüllt aus der Tüte kommt) der aus Poly­car­bo­nat gefer­tigt ist. Dies ver­rin­gert zusätz­lich noch Gewicht. Da ich eine spe­zi­elle, von mir ent­wi­ckelte Abdeck­haube ver­wende, kann ich die Tüte zu Beginn der­art frei und unge­zwun­gen hand­ha­ben, dass es abso­lut unmög­lich erscheint, dass sich ein gefüll­tes Glas darin befindet.

Ich kann die Tüte auf den Kopf stel­len, mit den Armen aus­schwei­fende Bewe­gun­gen machen und brau­che mir kei­ner­lei Gedan­ken dar­über zu machen, dass die Flüs­sig­keit aus­lau­fen könnte. Dies alles führt dazu, dass die Zuschauer wirk­lich davon über­zeugt sind, dass sich in der Tüte nichts befin­det. Das ist wesent­lich wich­ti­ger für den Effekt des Erschei­nens des Bier­kru­ges, und nicht seine Größe. Grö­ßer ist nicht besser.

Ich könnte noch dut­zende Bei­spiele auf­zäh­len, was den Arti­kel viel län­ger machen würde. Aber län­ger ist auch nicht besser …